AWO stellt politische und personelle Weichen

30.05.2016

Bezirkskonferenz in Hagen: Delegierte bestätigen Vorstand im Amt

„Willkommen: In der AWO" - Unter diesem Motto lud die AWO Westliches Westfalen am vergangenen Donnerstag (Fronleichnam) zur Bezirkskonferenz. Rund 300 Delegierte waren in die Stadthalle Hagen gekommen, um personelle und politische Weichen für die kommenden vier Jahre zu stellen. Sie bestätigten den Vorsitzenden Michael Scheffler (MdL, Kreisverband Märkischer Kreis) im Amt. Auch seinen Stellvertretern Christian Bugzel, Vorsitzender des Unterbezirks Münsterland-Recklinghausen und Gerda Kieninger (Vorsitzende des Unterbezirks Dortmund), sprachen die Delegierten ihr Vertrauen aus.

Vertreter aus Verband und Politik waren zu Gast auf der Bezirkskonferenz, darunter neben dem AWO-Bundesvorsitzenden Wolfgang Stadler auch Rainer Schmeltzer, Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Er würdigte in seinem Grußwort die Kampagne „Gutmensch" des AWO Unterbezirks Dortmund. Gutmenschen einen eine wichtige Stütze der Gesellschaft. Mit Blick auf die Integration der Geflüchteten, die er als „historische Aufgabe bezeichnete, warnte er vor politischen Kräften, die Angst vor Islamisierung schüren. Sie seien eine Gefahr für Deutschland und es sei wichtig, sich gegen Populismus und rechte Parolen zu wehren.
Nach den Grußworten stimmten die Delegierten über die Anträge ab und legten damit die politischen Positionen des Bezirksverbandes fest.

AWO will Kur-Einrichtungen für Väter öffnen
Die Delegierten stimmten der Forderung zu, ein „Familiengenesungswerk" zu gründen. Denn die meisten Kur-Einrichtungen sind speziell auf die Bedürfnisse von Müttern zugeschnitten. Dies entspricht den Richtlinien des Müttergenesungswerkes, welche die AWO aber als „nicht mehr zeitgemäß" kritisiert. Die Richtlinien stammten noch aus den 1950er Jahren und stützten sich auf die klassische Rollenverteilung, die es heute so in den Familien nicht mehr gebe.
Für Väter und Elternpaare, die von den Krankenkassen eine Kur bewilligt bekommen, ist  es deshalb schwer, überhaupt eine Einrichtung zu finden, die auch Männern offen steht. Die AWO fordert deshalb eine Anpassung der Richtlinien des Müttergenesungswerkes oder die Gründung eines eigenen „Familiengenesungswerkes", das offen ist für Väter, Mütter und Elternpaare - auch gleichgeschlechtliche.
In Zingst praktiziert die AWO dieses Konzept schon erfolgreich und mit großer Nachfrage: Die Einrichtung rückt die Familie als Ganzes ins Zentrum der Kur. 2015 lag der Anteil der männlichen Patienten bei 30 Prozent. In der Kurklinik Baltic in Großenbrode waren es 16 Prozent. Eine weitere Öffnung fordert die AWO auch für andere Kur-Einrichtungen.

Bessere Finanzierung der Kitas und OGS
Änderungsbedarf sieht die AWO auch beim Kinderbildungsgesetz (KiBiz). Dies sieht eine jährliche Steigerung der Kind-Pauschalen um mittlerweile drei Prozent vor. Die Tarifsteigerungen der Löhne werden damit aber nicht aufgefangen. Daraus ergibt sich eine Finanzierungslücke, die zu Lasten des Personals gehe, weil sich die Einrichtungen oft nur noch eine personelle Mindestbesetzung leisten können. Die AWO fordert deshalb keine Revision des Gesetzes, sondern ein komplett neues Gesetz. Die prozentuale Dynamisierung müsse wieder durch eine so genannte Indexsteigerung ersetzt werden, so die Forderung. Diese sieht eine automatische Anpassung an die steigenden Personal- und Sachkosten vor. Nur so könne die Finanzierungslücke geschlossen werden.

Für eine sichere Finanzierung des Offenen Ganztags sprachen sich die Delegierten ebenfalls aus. Der Bezirksverband betreibt rund 300 Einrichtungen, in denen 20.000 Schüler betreut werden. Die AWO fordert einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter zu verbessern. Mit Blick auf Inklusion sei es zudem wichtig, Integrationspersonal im Offenen Ganztag einzustellen, um den Anforderungen von Kindern mit Behinderungen gerecht zu werden. Die aktuelle Finanzierung reiche hierfür nicht aus. Zudem fehlten pädagogische, räumliche und organisatorische Standards für den Bereich des Offenen Ganztags.

Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt
Mit Blick auf die Integration von Geflüchteten setzt sich die AWO für eine schnelle und nachhaltige Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt ein. Es bestehe ein dringender Handlungsbedarf, zusätzliche Angebote zum schnellen Spracherwerb zu schaffen. Ebenso bedarf es eines unbürokratischen Vorgehens, wenn es darum geht, Abschlüsse anzuerkennen, die die Geflüchteten in ihren Heimatländern absolviert haben. All dies erleichtert die Integration auf den Arbeitsmarkt. Hochqualifizierte bergen Chancen für den Fachkräftemangel. Für die wenig oder nur schlecht ausgebildeten Geflüchteten fehlt es an passgenauen Ausbildungs- und Weiterqualifizierungsmöglichkeiten.
Da mehr als zwei Drittel der Geflüchteten unter 30 Jahre alt sind, müsse der Schwerpunkt darin liegen, Ausbildungsplätze zu schaffen.
Die Delegierten lehnten es ab, den gesetzlichen Mindestlohn zu senken, um Geflüchtete für Arbeitgeber attraktiver zu machen.

Hinsichtlich der zukünftigen Finanzierung der Pflege plädiert die AWO für eine Bürgerversicherung. Die Grenze zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung müsse aufgehoben werden zugunsten eines Systems, in das alle einbezogen werden. Darunter auch Beamte, Selbstständige und freiwillig Privatversicherte.
Untermauer wird diese Forderung von einem Gutachten, das der AWO Bundesverband in Auftrag gegeben hat. Dies belegt, dass bei einer sofortigen Einführung der Bürgerversicherung eine Steigerung der Beitragssatzpunkte sogar bis 2050 wesentlich unter der für 2017 geplanten Erhöhung auf 2,55 Prozent bliebe.

In seinem Rechenschaftsbericht für die vergangenen vier Jahre betonte Michael Scheffler die Bedeutung der AWO als „unverzichtbaren Partner für all diejenigen Kräfte in Deutschland, die für soziale Gerechtigkeit stehen".

Neue Jugendwerke gegründet
Als größte Herausforderung der Zukunft nannte er die Gewinnung neuer Mitglieder, um der Überalterung vorzubeugen. Besonders erfreut zeigte sich der Vorsitzende über die Entwicklung des Bezirksjugendwerkes, das immer mehr Mit-Macher gewinne. Allein im vergangenen Jahr wurden vier Kreisjugendwerke gegründet: im Märkischen Kreis, Dortmund, Bochum und im Kreis Siegen/Wittgenstein. Darüber hinaus sind in Soest, Lengerich und Münster-Albachten Ortsjugendwerke entstanden, die allesamt vor Ort mit Aktionen und Projekten von sich reden machen.

Bei allen Veränderungen und Herausforderungen betonte er, dass die AWO nach wie vor ein starker Mitgliederverband sei. Mit Blick auf den anstehenden 100. Geburtstag der AWO im Jahr 2019 resümierte er abschließend, dass der Verband den Stürmen der Geschichte getrotzt habe und auf einem stabilen Fundament stehe. „Unsere Werte haben sich bewährt".

Der neue Bezirksvorstand

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Bilderalbum der Bezirkskonferenz 2016

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